Im Jahr 2015 waren über 5 Prozent der österreichischen Bevölkerung pflegebedürftig. Dieser Anteil bedeutet, dass jede 4. Familie einen Pflegefall in ihrem direkten Umkreis zu versorgen hat. Diese Versorgung verursacht ständig hohe Kosten, welche gerade bei lange andauernder Pflegebedürftigkeit für viel Unmut, Streit und sogar zu finanziellen Problemen sorgen können. Wenn sich die Angehörigen überhaupt um den Pflegefall kümmern können. Glücklicherweise werden in unserem heutigen Sozialstaat pflegebedürftige Menschen von der öffentlichen Hand nicht ganz allein gelassen. Wer jedoch meint, die staatlichen Zuwendungen können niemals ausreichen, dem steht sogar noch eine zusätzliche Option offen. Mittels einer privaten Pflegeversicherung bzw. Absicherung lassen sich die finanziellen Belastungen im Ernstfall doppelt auffangen.
Was leistet die gesetzliche Pflegeversicherung?
Die Pflegebedürftigkeit jeder Österreicherin und jedes Österreichers ist in einem gewissen Maße schon durch die gesetzliche Vorsorge abgedeckt. Diese ist im Bundespflegegeldgesetz (BPGG) geregelt. Die dort festgesetzten Regelungen besitzen eine doppelte Bedeutung, da sich auch die Ansprüche aus der privaten Pflegeversicherung sehr stark daran orientieren. Die Grundvoraussetzung für den Erhalt von Pflegegeld sind:
- Der Zustand, welcher zur Bedürftigkeit führt muss mindestens 6 Monate lang Bestand haben.
- Der monatliche Bedarf an Pflege muss mindestens 65 Stunden betragen.
Damit der genaue Pflegebedarf festgestellt wird, besucht meist ein Amtsarzt den betroffenen Haushalt. Dort wird die Bedürftigkeit anhand von verschiedenen Aspekten der Haushaltsführung festgestellt.
Anhand welcher Fragen werden die Pflegestunden pro Monat festgelegt?
- Wie wird die pflegebedürftige Person mit Mahlzeiten versorgt?
- Wer reinigt den Haushalt mit welchem Aufwand?
- Wer sorgt sich um die Wäsche?
- Welche zusätzlichen Hilfestellungen im Alltag sind notwendig?
Welche Kosten übernimmt die gesetzliche Pflegeversicherung?

Das Ausmaß des Betreuungsaufwand entscheidet über die Pflegestufe. Die Einteilung erfolgt in sieben unterschiedliche Stufen.
Pflegegeld je Pflegestufe
Pflegebedarf in Stunden pro Monat | Pflegestufe | Nettobetrag in Euro monatlich |
---|---|---|
Mehr als 65 Stunden | 1 | 157,30 € |
Mehr als 95 Stunden | 2 | 290,00 € |
Mehr als 120 Stunden | 3 | 451,80 € |
Mehr als 160 Stunden | 4 | 677,60 € |
Mehr als 180 Stunden, wenn
| 5 | 920,30 € |
Mehr als 180 Stunden, wenn
| 6 | 1285,20 € |
Mehr als 180 Stunden, wenn
| 7 | 1688,90 € |
Stand: 01.09.2019
Eine private Pflegeversicherung stockt diese monatlichen Zuwendungen auf. Der Versicherer orientiert sich jedoch an der staatlichen Einstufung oder der „Activities of Daily Life“ (ADL) . Dadurch wird klar gestellt, wie viel der Versicherer zahlt.
Welches Einstufung ist die bessere Wahl – Activities of Daily Life (ADL) oder nach staatlicher Pflegeeinstufung?
Bei der Einstufung nach der staatlichen Pflegestufe ist die Einstufung klar. Sobald ein staatliches Pflegegeld gemäß Pflegestufe 1 zum Beispiel bezogen wird, kann auch bei der Pflegeversicherung die versicherte Leistung angefordert werden.
Ist jedoch in den Bedingungen die Auszahlung gem. ADL System hinterlegt, dann kommt es darauf an wieviele der „Activities of Daily Life“ Sie nicht mehr in der Lage sind selbst zu Tun. Dabei sind folgende Aktivitäten gemeint:
- An- und Auskleiden
- Einnehmen von Mahlzeiten und Getränken
- Waschen
- Fortbewegen im Zimmer
- Aufstehen und Zu-Bett-Gehen
- Verrichten der Notdurft
Welches ist nun für Sie das bessere Einstufungs-System?
Erkrankt ein Versicherter beispielsweise, sodass er bettlägerig ist und über eine Magensonde gespeist wird, ist es möglich, dass nach der gesetzlichen Pflegestufen-Berechnung eine geringere Pflegeeinstufung anerkannt wird. Denn durch die nicht zu leistende Hilfe bei der Einnahme von Mahlzeiten verringert sich der zeitliche tägliche Pflegeaufwand. Somit ist es möglich, dass dieser Umstand zu einer geringeren gesetzliche Einstufung führt. Wird die Einstufung nach ADL herangezogen, erfüllt der schwer Pflegebedürftige Patient sämtliche 6 Punkte ist bekommt somit die höchste versicherte Pflegeleistung ausbezahlt.
Gerade für beispielsweise Demenzkranke Menschen kann die ADL Einstufung von Vorteil sein. Generell für Menschen mit psychischen und kognitiven Beschwerden, wie geistig Behinderte ist die Einstufung nach ADL vorteilhaft.
Unserer Meinung nach ist somit eine Einstufung nach dem ADL System der gesetzlichen Pflegeeinstufung vorzuziehen. Günstig wären eventuelle Einstufungen, die beide Systeme berücksichtigen.
Wie sinnvoll ist eine zusätzliche Versicherung?
Die gesetzliche Pflegeversicherung reicht vor allem in den höheren Pflegestufen nicht für die alltägliche Versorgung aus. In diesen Fällen stockt die private Vorsorge die monatlichen Zuwendungen auf, um im Alter oder nach einem Unfall ausreichend versorgt zu werden und die Familie nicht übermäßig zu belasten. Trotzdem müssen einige Punkte beim Abschluss der Versicherung beachtet werden.
Manche Policen besitzen diverse Altersgrenzen. Ein Abschluss kann beispielsweise erst ab dem 35. Lebensjahr erfolgen und sieht nur Zahlungen bis zum 70. Lebensjahr vor. In vielen Fällen zahlt eine Pflegeversicherung erst ab einer höheren Pflegestufe und nur wenn sich der Versicherungsnehmer nicht in stationärer Behandlung befindet. All diese Punkte müssen vor der Unterzeichnung des Versicherungsvertrages berücksichtigt werden.
Welche Kosten verursacht eine private Pflegeversicherung?
Das gesetzliche Pflegegeld bekommt jeder Österreicher. In manchen Fällen sogar wenn sich der Wohnort im EU-Ausland befindet. Aber auch die private Pflegevorsorge belastet das Haushaltsbudget nicht übermäßig. Sehr günstige Pflegeversicherungen sind schon für 3 bis 5 Euro im Monat zu haben. Eine bessere Absicherung gibt es für rund 30 bis 50 Euro monatlich. Selbstverständlich richtet sich die Prämie nach der potentiellen Auszahlung im Ernstfall. Üblich sind Zahlungen von 500 bis rund 1.000 Euro zuzüglich zum staatlichen Pflegegeld.
Tipp: Bei vielen Vergleichen im Netz werden oft die summierten Zahlungen für die höchste Pflegestufe 7 angegeben. So möchten die Anbieter einen progressiven Werbeeffekt mit einer möglichst hohen Summe erreichen. Diese Pflegestufe wird jedoch nur sehr selten erreicht. Beim Vergleich ist es also wichtig vor allem die Stufen 3 bis 5 ganz genau zu prüfen.
Für wen ist die Pflegeversicherung?

Die Anzahl der Personen, die auf eine Pflegeversicherung angewiesen ist, steigt durch die gesellschaftlichen Entwicklungen dramatisch an. Die Familienangehörigen kümmern sich immer weniger um ihre älteren Mitglieder. Grundsätzlich verringert sich die Zahl der Kinder, die sich kümmern könnten. Zusätzlich steigt die Mobilität bezüglich Wohnsitz an und wenn niemand in der Gegend ist, dann müssen sich Pflegekräfte um die alltäglichen Anliegen kümmern.
Für diesen Dienst erwarten die Fachkräfte, anders als Familienangehörige, eine Bezahlung. Die Rente und das staatliche Pflegegeld reicht für die teilweise hohen Kosten selten aus. Eine private Pflegeversicherung schließt dann die Lücke im Budget, damit auch das Alter noch eine schöne Zeit ist. Wer also nicht damit rechnen kann, dass sich die eigenen Kinder um die Pflege kümmern, der sollte dringend über eine Pflegeversicherung nachdenken.
Personengruppen, die in vielerlei Hinsicht gut abgesichert sein sollten, sind Extremsportler und Arbeiter in einem Beruf mit höherem Risiko sowie Grenzgänger. Auch in jungen Jahren kann schon der Bedarf nach Pflege entstehen und eine Frühpension reicht garantiert nicht dafür aus. Im Gegenzug kann eine private Pflegevorsorge in jungen Jahren schon sehr günstig abgeschlossen werden.

